Kindheitserinnerungen an den 10. November 1938

Die Brandlegung erfolgt auf Befehl. Am Morgen des 10. November 1938 – und damit im Zuge der landesweiten Gewaltaktionen gegen Jüdinnen und Juden rund um den 9. November – weist der SS-Standartenführer Hermann Florstedt (später Kommandant im Konzentrationslager Buchenwald) den SS-Hauptsturmführer Heinrich Lumpe an, die 1904 eingeweihte Siegener Synagoge in Brand zu setzen. Die Befehlskette geht weiter: Unterscharführer Erich Wünsch soll Polizei und Feuerwehr informieren und einige Männer zusammentrommeln, die das jüdische Gotteshaus am Obergraben zerstören könnten. Ein Dutzend Brandstifter treffen sich mittags gegen 12 Uhr bei der Synagoge. Auch Heinrich Lumpe und Erich Wünsch sind dabei. Die Männer dringen durch eine Seitentür in die Synagoge ein, zertrümmern Bänke, Altaraufbau, Predigtpult und Harmonium und zünden all das, zu einem Feuer geschichtet, mit Benzin aus Wehrmachtskanistern an. Schnell breitet sich das Feuer aus. Die alarmierte Feuerwehr schützt allein die angrenzenden Gebäude, vor allem das benachbarte Krankenhaus. All das geschieht öffentlich. Der Brand lockt viele Schaulustige an, auch Kinder. Charlotte Thiemann ist damals sieben Jahre alt. Mit ihrem Freund Friedhelm ist sie vom Effertsufer aus der Feuerwehr hinterhergerannt. Die Kinder sehen, wie das stattliche Gebäude brennt. Dass es sich um eine Synagoge handelt, wissen sie nicht. Charlotte Thiemann hat nie vergessen, wie die Flammen aus dem Dach des jüdischen Gotteshauses geschlagen sind.

26. September 2025

Zur Person

Charlotte Thiemann geb. Rennings kam am 6. Mai 1931 in Wuppertal-Barmen zur Welt. Im Jahr 1936 zog die Familie nach Siegen. Charlotte besuchte zunächst die Hammerhütter Schule, bis zur Mittleren Reife dann das Mädchengymnasium. Bei Webmeisterin Hildegard Bäumner lernte sie anderthalb Jahre in der Siegener Webschule im Oberen Schloss das Handweben, wechselte dann aber 1950 ins Telegraphenamt. Dort hat sie acht Jahre gearbeitet. 1955 heiratete sie Walter Thiemann (1931-2004). Er war Lehrer am Löhrtor-Gymnasium. Die beiden bekamen fünf Kinder. Charlotte Thiemann engagierte sich wie ihr Ehemann in der Kantorei Siegen.

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